· 

Nelli

Liebe Nelli,

 

du warst ein ganz besonderes Kätzchen. Eine zarte Seele, ganz empfindsam und stets auf mich bezogen. Damals vor nicht ganz 18 Jahren bist du bei uns eingezogen, nachdem man dich herumgereicht hatte und niemand dich wollte. Bei uns solltest du eine Heimat finden. 

 

Mit Wotan's Einzug vor 10 Jahren kam dann die Zeit für dich, in der du dich mehr und mehr von den anderen Katzen zurückgezogen hast. Ich wollte es allen recht machen, doch das habe ich leider nicht geschafft.

 

Die ersten Jahre über hattest du Freigang und hast uns stets Geschenke mitgebracht. Eine wirklich sehr gute Jägerin warst du, kleine Nelli. Die ganze Katzengruppe hat sich über deine Rufe gefreut, wenn du von deinen erfolgreichen Jagdzügen heimgekehrt bist, und du die Beute der versammelten Mannschaft vor deren Pfoten gelegt hast. 

 

Sehr gerne saßt du mit mir draußen, und lagst auf meinem Schoß, nachts in meinem Bett. Die frische Luft, die Sonne, den Wind hast du geliebt, bis fast zum Schluß. Das Ende deines Lebens habe ich mir weniger qualvoll gewünscht. Doch leider sind wir mittlerweile in einer Zeit der Unmenschlichkeit, der Empathielosigkeit angekommen, in der Tierärzte keine Zeit mehr für eine Euthanasie eines leidenden Tieres finden, für das die Euthanasie das einzige ist, was man ihm noch Gutes tun kann, um es von seinen Qualen und Schmerzen zu befreien. Eine Zeit, in der Geld und Freizeit wichtiger sind, Work-Life-Balance nennt sich das in deren Worten. Eine Zeit, in der Krankheit und das Lebewesen zu einem reinen Geschäft gemacht und degradiert wurden. Mensch, wo bist du angelangt?

 

Nelli, dein letzter Tag und deine letzte Nacht waren weder für dich noch für uns schön, und das Erlebte hat sich tief in meine Seele eingebrannt. Gestern früh fanden wir dann endlich unkompliziert sofortige Hilfe (!) im AniCura Kleintierzentrum Heilbronn, indem man dich erlöst hat von deinen Leiden, wofür ich unendlich dankbar bin. Es tut mir unendlich leid, dass du so aus diesem Leben scheiden musstest.

 

Und natürlich, liebe Tierärzte, hätte ich Nelli einen Tag eher einschläfern lassen, und mir den dafür erforderlichen Termin ein oder zwei Tage oder eine Woche zuvor geben lassen, wenn ich eine Glaskugel zuhause stehen, und alles hätte planen können. Denn auch ich kann nicht in die Zukunft blicken und absehen, wie sich der Krankheitsverlauf im Einzelfall entwickeln wird. Ich habe auch vollstes Verständnis dafür, wenn sich ein Tierarzt absichern muss, bevor er ein leidendes Tier euthanasiert, und dann das volle Programm über Blutentnahme, Röntgendiagnostik, Ultraschall usw. fahren muss. Bitte, liebe Tierärzte, die ihr so denken mögt, habt vollstes Verständnis dafür, dass ich derartige Untersuchungen meinem leidenden Tier nicht mehr zumuten möchte, einem Tier mit der Diagnose Darmtumor, dessen Tumor mittlerweile so groß geworden ist, dass dieser bereits den gesamten Darm ausfüllt. Auf dem platten Land kannst du unter der Tierärzteschaft anrufen wann und wen du möchtest, du hörst von allen meist dasselbe, wir haben keine Zeit. Rufen Sie beim Kollegen an oder gehen Sie zu AniCura. Oder Aussagen wie

  • Vorbehandelte Tiere nehmen wir nicht an.
  • Es werden keine neuen Patienten mehr aufgenommen.
  • Warum kümmert sich nicht ihr Haustierarzt darum?
  • Und das fällt Ihnen nachts im Notdienst ein?

sind überhaupt nicht hilfreich. Nein, solche Worte sind in der großen Not sehr, sehr schmerzhaft. Liebe Tierärzte, danke Ihnen für all ihre wertvollen Hinweise und Ratschläge, die ich zukünftig sehr gerne beherzigen werde. Mit meinen anderen sieben Katzen werde ich gleich zu AniCura gehen.

 

Nachfolgende Fragen seien mir nach dem Erlebten der vergangenen Tage erlaubt:

  • Inwieweit sind Äußerungen so mancher Tierärzte wie vorstehend geschildert tierschutzrelevant?
  • Unterliegt man als Tierarzt nicht auch dem Tierschutzgesetz und ist danach verpflichtet, dem Tier Schmerz und Leid zu ersparen? 
  • Gibt es unter den Tierärzten keinen tierärztlichen Eid oder Ethik-Kodex? 

Die Diagnose Darmtumor bekamen wir exakt drei Wochen vor Nelli's Euthanasierung. Ein Zufallsbefund, denn ich stellte Nelli wegen einer Zyste am Rücken dem Tierarzt vor. Bei der Allgemeinuntersuchung wurde ein Tumor im Darm palpiert. Für uns war nicht absehbar, dass der Krankheitsverlauf so ein rasantes Tempo aufnehmen würde. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0